Gemeinsame Stellungnahme

Wir möchten diese wichtige Stellungnahme gerne mit Ihnen teilen, die gemeinsam vom BKSF, der DGfPI, der BAG Forsa und dem bff herausgegeben wurde. Wir unterstützen die Stellungnahme ausdrücklich und solidarisieren uns mit allen Betroffenen.

BKSF: Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend

DGfPI: Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt e.V.

bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe

BAG Forsa: Bundearbeitsgemeinschaft feministischer Organisationen gegen Sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen e.V.

Unter: 23-04-11_gemeinsame_stellungnahme_osrg

Hier als Fließtext:

Berlin, 11.04.2023

Gemeinsame Stellungnahme anlässlich der aktuellen medialen Diskussion zu Organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt von der Bundeskoordinierung Spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend (BKSF), der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt e.V. (DGfPI), dem bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe und der Bundesarbeitsgemeinschaft feministischer Organisationen gegen Sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen e.V. (BAG Forsa)

Als Koordinierungsstelle und Fachverbände der Fachberatung zu sexualisierter Gewalt beziehen wir zum aktuellen Diskurs wie folgt Stellung:In unseren Organisationen wird seit vielen Jahren mit großer Expertise zu sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend in den verschiedenen Kontexten gearbeitet. Immer wieder war es dabei schwer, diese massive Menschenrechtsverletzung in den unterschiedlichen Hintergründen wahrzunehmen und sie zu bezeugen. Auch den Vorwürfen in der katholischen Kirche wurde zunächst mit Abwehr und Unglauben begegnet. Die Konfrontation mit organisierter und ritueller Gewalt erschüttert jedes humanistische Weltbild. Deswegen gibt es in der Gesellschaft oft die Reaktion, mit Verleugnung und leider auch mit Diffamierung zu begegnen. Dies hat fatale Folgen für die Betroffenen von organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt und auch für das Unterstützungssystem.

Diskussionen über Einzelfälle dürfen nicht zu einem grundsätzlichen Infragestellen der Existenz von Gewaltformen führen und unter keinen Umständen die Reduzierung der Hilfe-, Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten von Betroffenen, die Gewalterfahrungen erlitten haben, zur Konsequenz haben. Gegenwärtig findet in manchen Artikeln und Debatten diese grundsätzliche Infragestellung statt und in Folge dessen droht eine Verschlechterung der Versorgungssituation. Dies kritisieren wir deutlich.

Es gibt schwere Formen sexualisierter Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Erwachsene in organisierter Form und auch mit rituellen Formen. In verschiedenen Pressekonferenzen zu den Tatkomplexen Lügde, Münster, Bergisch Gladbach etc. gaben Ermittler*innen einen kleinen Einblick in die schweren Gewalttaten, die sie auf Bild- und Videomaterial ansehen mussten. Beispiele für den Bereich der organisierten sexualisierten Gewalt gegen Kinder sind die Tatkomplexe Münster (Hier der Link) Bergisch-Gladbach: Hier der Link  und Lügde: Hier der Link. Zu ritueller Gewalt verweisen wir u.a. auf den Bilanzbericht der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs von 2019: Hier der Link und deren aktuelle Stellungnahme zur pauschalen Infragestellung von Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs in organisierten und rituellen Strukturen: Hier der Link sowie auf die Broschüre „Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen“ des Fachkreises „Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen“ beim BMFSFJ von 2018: Hier ist die Broschüre

Eine mögliche Folge von schwerer sexualisierter Gewalt sind dissoziative Störungen. Die Aufnahme dissoziativer Störungen, inklusive der Dissoziativen Identitätsstörung in die ICD ist Ausdruck davon, dass wissenschaftlich arbeitende Fachkreise dies anerkannt haben. In der ICD-11 werden dissoziative Störungen unter 6B60 ff. eingeordnet und dort als „unwillkürliche Unterbrechung oder Diskontinuität der normalen Integration eines oder mehrerer der folgenden Bereiche“ (z.B. Identität, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken, Erinnerungen, Verhalten) verstanden. Bei der ICD-11 handelt es sich um die elfte Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme und einer Aufnahme gehen teils Jahrzehnte lange wissenschaftliche Diskussionen, Entwicklungen und Erörterungen der international wichtigsten Fachgesellschaften voraus.

Als Koordinierungsstelle und als Fachverbände stehen wir an der Seite Betroffener von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend – auch im organisierten und/oder rituellen Tatkontext.

Wir halten es für notwendig, dass Qualitätsstandards für die Fachberatung und Begleitung von Betroffenen interdisziplinär unter Beteiligung von Expert*innen mit Erfahrungswissen entwickelt werden und fachlich qualifizierte Hilfen für Betroffene dieser schweren Gewaltformen erhalten und bundesweit ausgebaut werden.Dies ist wichtig für die qualifizierte Begleitung von Betroffenen und kann auch dazu beitragen, die Debatte zu versachlichen und konsequent an den realen Hilfebedarfen auszurichten.

Foto Screenshot (20)

 

 

 

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