Erste Hilfe nach Vergewaltigung – Informationen für medizinische Fachkräfte

Medizinische Fachkräfte sind oft die ersten und nicht selten die einzigen Ansprechpersonen von Opfern sexualisierter Gewalt. Ein schneller und unkomplizierter Zugang zur medizinischen Versorgung hat einen großen Einfluss auf die Bewältigung der Gewalterfahrung. Eine gute Versorgung kann gravierende Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit abmildern und eine schnelle Anbindung an das psychosoziale Hilfesystem schaffen.

Zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in München haben die beteiligten Kliniken und das Institut für Rechtsmedizin der LMU München gemeinsam einen Dokumentationsbogen und darauf abgestimmt ein Spurensicherungs – Kit entwickelt. Mit dem Dokumentationsbogen werden medizinische Fachkräfte über Standards bei der Akutversorgung informiert und erhalten eine Schritt-für Schritt-Anleitung für die Spurensicherung. Auch relevante Anlaufadressen für Betroffene sind im Bogen zu finden.

Zur fachlichen Beratung von Ärzt*innen, die mit der Untersuchung Betroffener betraut sind, bietet das Institut für Rechtsmedizin der LMU telefonische vertrauliche Beratung rund um die Uhr, Tel.: 089/2180‐73011

Frauen*, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, können abhängig von den Umständen und dem Ausmaß der Gewalt unterschiedliche Bedürfnisse haben.

Jede Frau* reagiert anders nach einem Übergriff. Es gibt keine allgemein gültige Reaktion. Jedes Verhalten und jedes Gefühl der Frau* ist richtig und „normal“ angesichts dessen, was sie erlebt hat.

Für den Erstkontakt mit den Betroffenen empfehlen wir deshalb:

  • Sexualisierte Gewalt ist eine massive Grenzüberschreitung und oftmals mit Schamgefühl verbunden. Es braucht Mut darüber zu sprechen. Damit sich die Frau* öffnen kann, ist es hilfreich Zeitdruck zu vermeiden und ihr den Raum zum Reden zu geben.

  • Hören Sie der Frau* zu und glauben Sie ihr. Eine wertfreie, verständnisvolle und wertschätzende Haltung wirkt sich sehr unterstützend auf die Betroffene aus.
  • Vermeiden Sie lange Wartezeiten und ermöglichen Sie das Gespräch – wenn möglich – in einem abgetrennten Wartebereich.
  • Informieren Sie Patient*in über Ihre ärztliche Schweigepflicht. Klären Sie die Patient*in darüber auf, dass Sie die Polizei nicht ohne ihr Einverständnis informieren dürfen.

  • Informieren Sie die Betroffene über die Möglichkeit einer Anzeige. Setzen Sie sie dabei nicht unter Druck. Die Betroffene entscheidet selbst, ob und wann sie eine Anzeige erstatten möchte. Klären Sie die Frau* darüber auf, dass eine Spurensicherung ohne Anzeigeerstattung möglich ist.

  • Informieren Sie die Frau* darüber, dass die gesicherten Spuren bis zu sechs Monate vertraulich gelagert werden können und als Beweismittel dienen, sollte sie sich zu einem späteren Zeitpunkt für eine Anzeige entscheiden.

Nach der Untersuchung empfehlen wir:

  • Achten Sie darauf, dass die betroffene Frau* das Krankenhaus in einen stabilen und sicheren Zustand verlässt und in ihrer Situation nicht allein gelassen wird. Informieren Sie auf Wunsch der Betroffenen angehörige Bezugspersonen, die die Betroffenen ggf. nach Hause begleiten können.

  • Informieren Sie die Betroffene über mögliche Anschlusshilfen duch den Frauen*notruf München, die IMMA oder – außerhalb von München – über anderen Beratungsstellen (bff-Sucher).

Bleiben Sie mit dem Erlebten nicht allein!

Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle in Ihrer Nähe und holen Sie sich Rat und Unterstützung.

Sie haben ein Recht auf Hilfe!

Beratungsstelle Frauen*notruf München
www.frauennotruf-muenchen.de

089 / 76 37 37

Beratungsstelle für Mädchen* und junge Frauen* – IMMA e.V. www.imma.de

089 / 260 75 3137

Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen*
Telefonische Beratung rund um die Uhr

116 016

Folgende Materialien stehen für Sie zur Verfügung:

  • Leitfaden für niedergelassene Ärzt*innen: Download >>

  • Dokumentationsbogen für die Untersuchung und Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt: Download >>